Im Rahmen der Teilprojekte soll die Frage nach der „Verstaatlichung“ von Aussenbeziehungen nach folgenden sich ergänzenden und teilweise überlappenden Gesichtspunkten untersucht werden:
Der Fokus liegt zunächst auf der wechselseitigen Verflechtung der an der Ausgestaltung politischer Aussenbeziehungen beteiligten Akteure. Dabei geraten lokale und grenzüberschreitende personale Netzwerke sowohl von Gesandten oder Magistraten als auch von Akteuren ohne formelles Amt, etwa Hochadlige oder Solddienstoffiziere, in den Blick. Gefragt wird nach der Art der Beziehungen und der durch sie ausgetauschten materiellen, symbolischen oder informationellen Ressourcen. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Frage nach dem Umgang der Akteure mit multiplen Loyalitäten und der (abnehmenden?) Legitimität von Aussenverflechtung in andere Herrschaftsräume.
Ein weiterer Untersuchungsfokus liegt auf der Frage nach der Wahrnehmung fremder politischer Kulturen durch diplomatische Akteure und den damit gegebenen Interaktionsmöglichkeiten in den Aussenbeziehungen. Dieser Frage kommt im Kontext von Beziehungen zwischen politischen Entitäten besondere Bedeutung zu, die sich sowohl hinsichtlich der inneren Herrschaftsorganisation als auch hinsichtlich des Status in der europäischen Ordnung deutlich voneinander unterschiedlichen. In den Fokus der Betrachtung rückt dabei die Frage, inwiefern sich mit der Rezeption von Modellen zwischenstaatlicher Interaktion – etwa „Souveränität“ oder „Neutralität“ – der Blick auf das politisch Fremde veränderte und in welchem Umfang damit neue Möglichkeiten der Interaktion zwischen Herrschaftsverbänden in einem sich ausdifferenzierenden politischen System geschaffen wurden.
Das Projekt fragt drittens nach den strukturellen Bedingungen und effektiven Praktiken der Kommunikation zwischen den an der Gestaltung politischer Aussenbeziehungen beteiligten Akteure. In den Fokus rücken dabei die durch personale Netzwerke generierten Informationen, die (diskursive oder symbolische) Repräsentation von staatlichen oder personalen Beziehungen sowie Interaktionsprozesse in diplomatischen Verhandlungen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage nach dem Umfang und der prozessualen Durchsetzung explizit staatlicher zuungunsten von als privat oder nichtstaatlich angesehenen Kommunikationcodes und -kanälen im Verlauf des späten 17. und 18. Jahrhunderts.
Teilprojekte
Die genannten Fragestellungen sollen in vier Teilprojekten zu einem weltlichen und zwei geistlichen Ständen des Heiligen Römischen Reiches, zu den dreizehn Orten der Eidgenossenschaft und zum Fürstentum Neuchâtel untersucht werden. Im Mittelpunkt steht jeweils das Verhältnis zur französischen Krone, das in allen vier Teilprojekten im Kontext der konkurrierenden Beziehungsnetze anderer Mächte betrachtet wird. Als wichtigste Quellengrundlage dienen dabei Gesandtenkorrespondenzen sowie parallele Briefwechsel aus Privatnachlässen oder Familienarchiven, aus welchen sich besondere Rückschlüsse auf die informellen Aspekte von Aussenbeziehungen ziehen lassen.