Das Projekt möchte einen Beitrag zur Erforschung katholischer Frömmigkeitskulturen im konfessionellen Zeitalter leisten. Geographisch konzentriert sich das Projekt auf den schweizerischen Raum, dessen Sakrallandschaft von einer Vielzahl von Gnaden- und Wallfahrtsorten unterschiedlicher Grösse geprägt war. Diese Orte, definiert als Kirchen, Kapellen und Andachtsplätze, an denen Gebetserhörungen dokumentiert sind, wurden bislang vor allem aus volkskundlicher und kunsthistorischer Perspektive untersucht, während sie von der neueren sozial- und kulturgeschichtlich orientierten Forschung eher selten berücksichtigt worden sind. Für die Erforschung katholischer Frömmigkeitskulturen eignen sie sich indessen in besonderem Masse, da konkrete Heilsbedürfnisse der Gläubigen, unterschiedliche Frömmigkeitspraktiken sowie der Einfluss vielfältiger Interaktionen sichtbar werden.
Ausgangspunkt des Projekts bildet die These, dass die Frömmigkeitskulturen im schweizerischen Raum einerseits von im lokalen Kontext verankerten Akteuren, andererseits durch die sich nach dem Konzil von Trient (1545-1563) neu formierende römische Konfessionskirche sowie den Einfluss des französischen, des spanisch-mailändischen und des österreichisch-habsburgischen Regionalkatholizismus geprägt wurden. Gefragt wird einerseits nach den Möglichkeiten und Grenzen der Integration lokaler Kultformen in den nachtridentinischen Katholizismus, andererseits nach der Durchsetzung und den Strategien der Aneignung neuer Frömmigkeitsformen. Mit diesem doppelten Fokus auf lokale Formen des Katholizismus und deren Einbindung in translokale Beziehungsgeflechte sollen die katholischen Frömmigkeitskulturen als Ergebnis von Interaktionen zwischen kirchlichen und weltlichen Akteuren beschrieben werden, die mit unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten an der Ausgestaltung der Frömmigkeitskulturen mitwirkten.
Methodisch orientiert sich das Projekt an der historischen Verflechtungsforschung und an neueren Studien zu kulturellem Austausch und Kulturtransfer. Im Fokus der Untersuchungen stehen Interaktionen zwischen kirchlichen und weltlichen Akteuren, die sich mit unterschiedlichen Handlungsspielräumen an der Ausgestaltung der katholischen Frömmigkeitskulturen beteiligten. Die durch diese Interaktionen hervorgerufenen Austauschbeziehungen sollen dabei als kulturelle Übersetzungsprozesse verstanden werden, wie sie beispielsweise in den Vermittlungen von Kultgegenständen und deren Integration in lokale Frömmigkeitstraditionen sichtbar werden. Damit versucht das Projekt, das Innovationspotential der neueren Konfessionalisierungs- und Katholizismusforschung und jenes der Aussenbeziehungsforschung für eine konfessionsgeschichtliche Fragestellung nutzbar zu machen.
Die Untersuchungen erfolgen in zwei sich ergänzenden Subprojekten zur katholischen Eidgenossenschaft und zu den Drei Bünden, die einen partiellen Vergleich zwischen unterschiedlich strukturierten Gebieten ermöglichen.