Projekt 1: Doppelte Diplomatie: Die französisch-spanischen Beziehungsnetze der Madame de Maintenon und der Madame des Ursins während des Spanischen Erbfolgekrieges
Corina Bastian
Die Ergebnisse dieses Projekts wurden in folgendem Werk veröffentlicht:
Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts (Externa. Geschichte der Aussenbeziehungen in neuen Perspektiven, Bd. 4), Köln / Weimar / Wien, Böhlau Verlag, 2013.
Mit der Thronbesteigung Philipps von Anjou, Enkel Ludwigs XIV., wurde in Spanien nach dem Tod des kinderlosen habsburgischen Königs Karls II. eine bourbonische Dynastie installiert. Parallel dazu erhob aber auch der Enkel des spanischen Königs Philipps IV., Erzherzog Karl, als Kandidat Österreichs Anspruch auf den spanischen Thron. Diese konkurrierenden Ansprüche wurden von 1700 bis 1715 im Spanischen Erbfolgekrieg ausgefochten. Auf der Ebene der europäischen Politik ging es darum, ob sich eine bourbonische Suprematie etablieren oder aber ein Gleichgewicht der Mächte durchsetzen liesse.
Eine zentrale Rolle im Verhältnis zwischen den beiden bourbonischen Höfen spielte Anne-Marie de La Trémoille (1642-1722), nach ihrer zweiten Heirat mit Flavio Orsini bekannt als Madame des Ursins. Sie begleitete auf Wunsch Ludwigs XIV. die erst dreizehnjährige Gattin Philipps V., Marie Louise, an den Hof von Madrid. Als camarera mayor hatte sie zur Königin ständigen Zugang. Ihr Einfluss auf das spanische Königspaar kann als sehr stark charakterisiert werden. Madame des Ursins führte mit der morganatischen Ehefrau Ludwigs XIV., Madame de Maintenon, von 1705 an eine zehn Jahre andauernde, wöchentliche Korrespondenz. Wie die Ursins am spanisch-bourbonischen Hof, hatte die Maintenon in Frankreich die königliche Patronage weitgehend monopolisiert. Der Briefwechsel zwischen den beiden Frauen ist nahezu vollständig erhalten.
Es besteht angesichts dieser Quellenlage die selten zu findende Möglichkeit, vergleichend offizielle und inoffizielle Kanäle diplomatischer Korrespondenz über einen längeren Zeitraum erschöpfend auszuwerten. Im Zentrum der Auswertung soll die Frage stehen, inwieweit die beiden Frauen über aussenpolitische Vorgänge informiert waren – also Zugang zum Machtfaktor Wissen hatten – und inwieweit und mit welchen Mitteln sie sich aktiv in die politischen Vorgänge einzuschalten vermochten. Zu den Mitteln sind einerseits das politische Handeln in Netzwerken und die Nutzung des Zugangs zum Herrscher zu zählen. Andererseits sind auch rhetorische Strategien weiblicher Einflussnahme in den Blick zu nehmen. Gerade Madame de Maintenon scheint den Verweis auf ihre weibliche Schwäche gezielt genutzt zu haben, um Kritik an ihrer zentralen Stellung bei Hof abzuwehren. Die Hintergrundfolie des Spanischen Erbfolgekrieges ist geeignet, den Einfluss informell-weiblicher Diplomatie auf genuin makropolitische Vorgänge auszuleuchten. Es ist zu klären, inwieweit die weibliche Diplomatie tatsächlich einen unabhängigen, eigene Ziele verfolgenden Strang in den Aussenbeziehungen darstellen konnte bzw. überhaupt wollte. Möglicherweise waren die beiden Frauen letztlich auch nur den Zielen der offiziellen Diplomatie unterworfen. Zusammengefasst sollen also Handlungs- und Ausdrucksmöglichkeiten weiblicher Diplomatie und das Ausmass ihrer Autonomie gegenüber der offiziellen Sphäre analysiert werden. Der Institutionalisierungsprozess des Staates im Allgemeinen und der Diplomatie im Besonderen werden dabei besondere Berücksichtigung finden.
Poster Historikertag
Poster zum Dissertationsprojekt "Weibliche Diplomatie? Mme de Maintenon und die Princesse des Ursins während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1714)" von Corina Bastian.