Freunde und Feinde. Strategien der In- und Exklusion in sozialen Netzwerken des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr.

Forschungsprojekt finanziert durch den Schweizerischen Nationalfonds (2012-2015).

Leitung

Mitarbeiterin

Ziel dieses Projektes ist es, die Bedeutung von Freundschaft im Kontext der Konstituierung von sozial und politisch wirksamen Netzwerken der späteren römischen Kaiserzeit zu analysieren. Insbesondere soll nach den Strategien der In- und Exklusion innerhalb und zwischen verschiedenen christlichen und paganen Gruppierungen gefragt werden.

Auf der Grundlage von sozialwissenschaftlichen Untersuchungen kann Freundschaft als freiwillig eingegangene, reziproke interpersonale Beziehung verstanden werden, die zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Kulturkreisen inhaltlich anders gedeutet wird. Soziale Strukturen und Normen bestimmen nicht nur die Art und Weise, wie Freundschaftsbeziehungen in die Gesellschaft eingebettet sind, sondern auch die Funktionen, welche ihnen zugeschrieben werden. Die Bedeutung von Freundschaft in einer Gesellschaft und ihr Stellenwert neben anderen interpersonalen Beziehungen wie Verwandtschaft und Patronage sind somit kulturell konditioniert. Dadurch wird Freundschaft als sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschungsgegenstand interessant, da die Untersuchung von freundschaftlichen Bindungen auch Aufschlüsse über gesellschaftliche Strukturen sowie die soziale und politische Organisation einer Gesellschaft geben kann.

Das Phänomen der Freundschaft in der Spätantike interessierte die Forschung bislang allerdings primär aus philosophie- und theologiegeschichtlicher Perspektive. Sozial- und kulturgeschichtliche Untersuchungen sind in der Minderzahl. Eine Analyse pragmatischer Freundschaft vor dem Hintergrund der weitreichenden Transformationsprozesse, die durch die zunehmende Christianisierung des Imperium Romanum ausgelöst wurden, ist ein Desiderat der historischen und der altertumswissenschaftlichen Forschung. Im Rahmen des Projekts soll daher untersucht werden, wie an der Schnittstelle vom dritten zum vierten nachchristlichen Jahrhundert Freundschaft als Mittel der sozialen Integration sowohl im christlichen als auch paganen Milieu eingesetzt wurde. Mit dem gewählten Zeithorizont rückt die Phase in der Geschichte des Imperium Romanum ins Zentrum der Betrachtung, in der das Christentum allmählich Einzug in die höheren sozialen Schichten des Reiches hielt. Die damit einhergehenden komplexen sozialen In- und Exklusionsprozesse stehen im Zentrum des Projektes und sollen auf der Grundlage des Freundschaftskonzeptes, wie es in der literarischen Überlieferung fassbar ist, rekonstruiert werden. Gerade für das 3. Jahrhundert ist eine systematische Analyse des Freundschaftsbegriffes und allfälliger Parallel- und Gegenbegriffe im christlichen Kontext wichtig, um die in der althistorischen Forschung als einschneidend wahrgenommenen sozialen Veränderungen der Spätantike differenzierter
betrachten und Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Konstituierung von Freundschaftsbeziehungen erfassen zu können.