Katharina Hermann
Bereits während des Ersten Weltkriegs wurde die wachsende Bedeutung der Frauenarbeit immer wieder betont. Nach dem Krieg erwies sich die eingeforderte Solidarität zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern allerdings rasch als brüchig, und die Frauen wurden für ihr vielfältiges Engagement in den Kriegsjahren schlecht belohnt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen das Frauenstimmrecht während oder nach dem Krieg eingeführt wurde, dauerte dieser Prozess in der Schweiz weit länger; und obwohl der Frauenanteil in den Gewerkschaften und der Industrie in den Kriegsjahren stark gestiegen war, wurden die Frauen in der Zwischenkriegszeit mit einem – auch von links unterstützten – Diskurs über das «Doppelverdienertum» wieder aus der Arbeitswelt zu verdrängen versucht.
Im Gegensatz zur internationalen Forschung gibt es bis heute aber nur relativ wenig geschlechtergeschichtliche Arbeiten zur Schweiz im Ersten Weltkrieg. Insbesondere in Bezug auf den Landesstreik von 1918 fehlen ausführliche geschlechtergeschichtliche Betrachtungen. Es ist deutlich mehr über das Engagement von Frauen und Frauenorganisationen im Vorfeld des Landesstreiks bekannt als über ihre Rolle im November 1918. Obwohl zwischen verschiedenen Frauenorganisationen unterschiedliche Meinungen zum Landesstreik bestanden, ist nach wie vor unklar, wie die Trennlinien zwischen den einzelnen Organisationen – beziehungsweise zwischen Klassenkampf und Geschlechterkampf – verliefen.
Teilprojekt 2 möchte deshalb mit geschlechtergeschichtlichen Fragestellungen neue Perspektiven auf die Kriegsjahre und den schweizerischen Generalstreik von 1918 eröffnen. Welche Handlungsspielräume eröffneten sich Frauen durch Krieg und Krise; wie veränderte sich das Verhältnis von privater Fürsorge und staatlichen Sozialmassnahmen, und welche Rolle spielte die 1917 von der SP neu geschaffene «Frauen-Agitationskommission» im Landesstreik? Wie und wieweit wurden die Geschlechterverhältnisse durch den Krieg (zumindest temporär) verändert und welches waren die Gründe dafür, die in den Jahren nach 1918 zu einem weitgehenden Zurückdrängen der Frauen aus jenen sozialen und wirtschaftlichen Positionen führten, die sie während der Kriegsjahre hatten einnehmen können beziehungsweise müssen?