Angehörige dieser Familien bekleideten in der frühen Neuzeit höchste Offiziersränge in französischen, spanischen, neapolitanischen oder österreichischen Diensten. Die Auswahl der Fallstudien berücksichtigt die Faktoren Konfession (reformiert, katholisch) und Herkunft (Städteorte, Länderorte, vollberechtigte Orte, Zugewandte Orte) und nimmt die wichtigsten Solddienstbeziehungen der eidgenössischen Militärunternehmer in den Blick. Der Untersuchungszeitraum liegt zwischen 1550 und 1750 und umfasst damit den Zeitabschnitt, der gemäss Peyers Phasenmodell für die institutionelle Verfestigung der fremden Dienste entscheidend war. Zudem ist die Periode durch hohe Bellizität gekennzeichnet: französische Religionskriege (1562-1598), Dreissigjähriger Krieg (1618-1648), französische Expansionskriege unter Ludwig XIV. (1667-1697), Spanischer Erbfolgekrieg (1701-1714) und Österreichischer Erbfolgekrieg (1740-1748). Die Frühphase des Solddiensts (13. Jahrhundert bis Mitte 16. Jahrhundert) sowie die Phase der Rückbildung des fremden Dienstes (Ende 18. Jahrhundert bis 1859) werden punktuell nur berücksichtigt, wenn ein spezifisches Erkenntnisinteresse eine Ausweitung des Untersuchungszeitraums erfordert. Das Teilprojekt A kann und will nicht, die militärunternehmerische Tätigkeit von vier Familien aus der eidgenössischen Elite über 200 Jahre systematisch untersuchen. Vielmehr wird es vor allem um jene Phasen und Ereignisse gehen, die die Rahmenbedingungen für das militärunternehmerische Geschäft und die Voraussetzungen für dessen erfolgreiche Fortführung und Weitergabe innerhalb des Familienverbandes gefährdeten. Zu denken ist dabei an die Androhung bzw. die Durchführung von Truppenreduktionen durch die Kriegsherren, an Blockaden in den Verhandlungen um die Erneuerung der Allianz oder an Faktionskonflikte innerhalb der Orte. Der Vergleich der Handlungsstrategien, die die vier Familien in solchen Situationen jeweils wählten, lässt erkennen, welche Faktoren in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation des Familienverbandes und von der politischen Ökonomie des jeweiligen Ortes eine Fortführung des Militärunternehmens erlaubten, erschwerten oder ganz verunmöglichten.
Die Studie betrachtet Ökonomie und Unternehmertum (1), Familie und Verwandtschaft (2), Politik und lokale Machtstellung (3) sowie Diplomatie, Konfession und Aussenbeziehungen (4) als Felder militärunternehmerischen Handelns, die vielfach miteinander verschränkt waren und sich häufig nur in analytischer Hinsicht voneinander trennen lassen.
1) Ökonomie und Unternehmertum:
Zentral geht es um die unternehmerischen Chancen (Offizierskarrieren, finanzielle Gewinne etc.) und Risiken (Mannschaftsverluste, Kriegsniederlagen; Schuldenpolitik der Kriegsherren, Desertionen, Seuchen, Währungsschwankungen etc.), die eine militärunternehmerische Tätigkeit gewärtigen musste. Für die Analyse unternehmerischer Handlungsräume ist es eminent, den unterschiedlichen Typen von Militärunternehmern Rechnung zu tragen. Es ist danach zu fragen, mit welchen spezifischen finanziellen und logistischen Herausforderungen sich der militärische Grossunternehmer (Regimentseigentümer), der militärische Kleinunternehmer (Eigentümer einer Kompanie oder Halbkompanie) und der Subunternehmer (Pächter von Teilkompanien) konfrontiert sahen. Daran anknüpfend ist zu untersuchen, welche unterschiedlichen ökonomischen Handlungsoptionen sich bei Militärunternehmern, die ihren Truppenkörpern als Offiziere vorstanden, und solchen, die selber keine militärischen Funktionen ausübten, sondern das operative Geschäft an Verwandte oder Subunternehmer delegierten und ihre Einheiten als reine Kapitalanlagen bewirtschafteten, feststellen lassen. Weil einschlägige Studien zu den Finanzierungsstrategien eidgenössischer Militärunternehmer fehlen, bilden Kreditgeschäfte und Beziehungen zu Banken sowie Handelshäusern (z.B. die Beziehungen der von Erlach zum Handelshaus Rehlinger in Augsburg) einen Schwerpunkt des Teilprojekts. Wie überbrückten Militärunternehmer finanzielle Durststrecken, wenn sie geschäftliche Misserfolge zu verzeichnen hatten, ihre Kriegsherren in Zahlungsrückstand gerieten oder ganz zahlungsunfähig wurden und damit der Sold und die Patronageressourcen für ihre militärische und politische Klientel ausblieben? Von wem bekamen sie kurzfristig Kredit? Welche Rolle spielte in solchen temporären Liquiditätskrisen die Obrigkeit als Kreditgeberin? Inwiefern führten Zahlungsrückstände des Kriegsherrn, aber auch drohende Truppenreduktionen oder anstehende Allianzverhandlungen zu kooperativen Verhandlungsstrategien unter Militärunternehmern? Ebenso wird es um eine Erhellung der Beziehungen der Militärunternehmer zu Händlern von Kriegsmaterial im In- und Ausland, aber auch der eigenen kriegswirtschaftlichen Geschäfte von Militärunternehmerfamilien (Handel mit Salpeter, Pferden, Nahrungsmitteln etc.) gehen. Beides war für die rentable Bewirtschaftung des jeweiligen Militärunternehmens ausschlaggebend. In Zusammenhang mit den logistischen Herausforderungen von Militärunternehmern rücken auch die Kooperation und Arbeitsteilung zwischen Militärunternehmern, Werbeagenten, lokalen Amtsträgern und Söldnern bei der Rekrutierung von Soldaten in den Fokus. Der Klärung bedürfen hier insbesondere die formellen und informellen Herrschafts- und Machtbeziehungen (Besitz von Grund- und Gerichtsherrschaften; Kreditbeziehungen; Verwandtschaft, Patenschaften; Patronageverhältnisse etc.) zwischen dem Militärunternehmer und seinem Personal.
2) Familie und Verwandtschaft:
Den wirtschaftsgeschichtlichen Ansatz von Fritz Redlich, der die Tätigkeit der Militärunternehmer als eine Dienstleistungs- und Finanzunternehmung verstand, entwickelt das Projekt insofern weiter, als es die Militärunternehmer nicht primär als Einzelakteure, sondern als Angehörige von Familienverbänden untersucht. Das Interesse gilt dabei der familieninternen und -externen Arbeitsteilung, die es Militärunternehmern erlaubte, Menschen, Kapital und Güter für fremde Kriegsherren zu mobilisieren. Wer bestimmte die familieninterne Rollen- und Arbeitsteilung, in die zahlreiche Familienmitglieder in unterschiedlichen Funktionen (Offiziere, Werbeagenten, Financiers, Händler, Politiker) eingebunden waren? Wie und durch wen wurden Nachfolgeregelungen bei der Besetzung von Offiziersstellen getroffen? In diesem Zusammenhang fragt das Projekt nach den vielfältigen Ausdrucksformen des mit den fremden Diensten verknüpften Kulturtransfers. Wie wurden die Angehörigen der nachfolgenden Generationen auf ihre Tätigkeit als Offiziere und Militärunternehmer in fremden Diensten vorbereitet (Erwerb von Sprachkenntnissen oder höfisch-diplomatischen Umgangsformen)? Mit Blick auf den Transfer von Besitz und Beziehungen und die Perpetuierung des Soldgeschäfts als erbliches Familien- und Verwandtschaftsunternehmen interessieren die Heiratsallianzen und das generative Verhalten. Wo lagen das Konfliktpotenzial und die Grenzen der intergenerationellen Planbarkeit in einem familial strukturierten Geschäftsfeld, dessen Erfolg auch vom Interessenausgleich zwischen verschiedenen Familienlinien und der Integration renitenter oder unfähiger Familienmitglieder abhängig war?
3) Politik und lokale Machtstellung:
Nicht nur die ökonomischen, sondern auch die machtpolitischen Ambitionen der eidgenössischen Elitefamilien waren eng mit den fremden Diensten und den Patronageressourcen fremder Kriegsherren verknüpft. Deren Machtstellung im eigenen Kanton gründete auf dem finanziellen, kulturellen und sozialen Kapital, das sie aus den fremden Diensten zogen. Dieser Zusammenhang zwischen Militärunternehmertum und eidgenössischer Elitenbildung ist der Forschung grundsätzlich bekannt.Teilprojekt A unternimmt jedoch erstmals den Versuch, die familialen Strategien des sozialen Aufstiegs und Obenbleibens im Zusammenhang mit dem Gewinn von Patronageressourcen aus den fremden Diensten systematisch auf ihre spezifischen Varianten und die ihnen zugrunde liegenden Faktoren hin zu untersuchen. Die Forschung weiss noch zu wenig, welches die Gründe für den rasanten Aufstieg einzelner Militärunternehmerfamilien wie der Pfyffer waren und wovon die Gefahr des sozialen Abstiegs abhing. Wie hingen das erfolgreiche Militärunternehmertum einer Familie und deren Zugehörigkeit zur politischen Elite zusammen? Wie lösten Militärunternehmer, die häufig politische Ämter besetzten und in geschäftlichen wie familiären Angelegenheiten eine Führungsrolle innehatten, das Problem ihrer temporären An- bzw. Abwesenheit vor Ort? Wie reagierten die Militärunternehmer auf Kritik aus den Reihen verfeindeter Ratsparteien, konkurrierender Elitefamilien oder unzufriedener Untertanen an ihrem Geschäft (Pfyffer-Amlehn-Handel, Tumulte in Glarus 1765 und 1766 etc.)?
4) Diplomatie, Konfession und Aussenbeziehungen:
Die Allianzpolitik und die Verflechtung der Orte mit Frankreich, Spanien, Holland oder Savoyen verschafften den Machteliten im Corpus Helveticum vielfältigen Nutzen (Pensionen, Handelsprivilegien, Sicherheit, Beschäftigung, Patronageressourcen u.a.m.). Die Aussenpolitik der Orte folgte der Logik des aristokratischen Machtsystems in den Orten. Vor diesem Hintergrund gewinnt die von der Forschung bislang vernachlässigte Frage nach der Rolle von Militärunternehmern als diplomatischen Akteuren an Relevanz. Obgleich um 1600 die politische Elite weitgehend mit der militärischen identisch war und es sich bei den eidgenössischen Aussenpolitikern und Gesandten vielfach um Angehörige einflussreicher Militärunternehmerfamilien handelte, wurden diese nur vereinzelt in ihrer Funktion als informelle diplomatische Akteure der Aussenbeziehungen untersucht. Im Anschluss an die Feststellung, dass die eidgenössischen Orte keine ständigen Gesandtschaften im Ausland unterhielten, untersucht Teilprojekt A, ob und in welchem Ausmass ranghohe Offiziere in fremden Diensten (Generäle, Oberste der Schweizer Garderegimenter in Frankreich, Savoyen oder Rom, etc.) auch als informelle Diplomaten an fremden Höfen in Erscheinung traten und damit nicht nur eine Lücke in der diplomatischen Kommunikation mit fremden Herrschern schliessen konnten, sondern auch als Fürsprecher und Bittsteller partikularer Anliegen ihrer Landsleute bei den auswärtigen Patrons fungierten.
Die Allianzpolitik der Orte war stark durch konfessionspolitische Interessen geleitet, wie die Bündnisse der katholischen Orte (ohne Solothurn) mit Spanien 1587 oder Berns und Zürichs mit Baden-Durlach 1612 zeigen. Es wurde bislang nicht systematisch untersucht, ob und inwiefern konfessionelle Solidarität – neben der Aussicht auf finanziellen Gewinn – ein militärunternehmerisches Engagement zugunsten der einen oder anderen Glaubenspartei – etwa in den französischen Religionskriegen oder im Dreissigjährigen Krieg – motivierte. Erleichterten konfessionelle Netzwerke die Stellensuche von Offizieren? Und wie verbreitet waren Konversionen eidgenössischer Militärunternehmer und Offiziere, die auf diese Weise die Norm- und Interessenkonkurrenz zwischen konfessioneller Loyalität und Karrieremöglichkeit im Dienst eines andersgläubigen Potentaten aufzulösen suchten? Teilprojekt A ist als PostDoc-Projekt konzipiert und soll mittelfristig zur Habilitation des Projektmitarbeiters führen.