Katrin Keller
Der Bündner Untertan und spätere Churer und Basler Bürger Johann Peter Stuppa (1621- 1701) profilierte sich in französischen Diensten als fähiger Offizier und erlangte höchste militärische Grade. Er erwarb sich das Vertrauen König Ludwigs XIV., der ihn im Vorfeld der französischen Annexion der Freigrafschaft Burgund (1674) als diplomatischen Agenten in das Corpus Helveticum abordnete. Mit der Einwerbung von Freikompanien in den 1660er Jahren und dem Abschluss der Kapitulationen für die ersten vier eidgenössischen Linienregimenter Anfang der 1670er Jahre verschaffte der Bündner dem König in kurzer Zeit grosse Söldnerkontingente. Dabei erwies er sich als gewiefter Diplomat, dessen intime Kenntnisse der lokalen Machtkonstellationen und der politischen Kultur der Orte der französischen Krone sehr nützlich wurden. 1674 bis 1688 hatte Stuppa vertretungsweise für einen minderjährigen Prinzen von Geblüt die Charge des Generalobersten aller Schweizer und Bündner Truppen inne, womit er zur Schlüsselfigur bei der Zuteilung und Organisation der Schweizer Regimenter und Kompanien in französischen Diensten avancierte. Spätestens seit Antritt dieser Charge gehörte Stuppa zur engeren Entourage des französischen Königs. Von Paris aus nahm er bis zu seinem Tod 1701 diplomatische Funktionen in französisch- eidgenössischen Angelegenheiten wahr.
Die Dissertation untersucht Stuppas Rolle als französischer Agent in der Eidgenossenschaft und seine Tätigkeit als einflussreicher Vermittler französischer Patronageressourcen an Angehörige der eidgenössischen Machtelite. Die Fallstudie erhellt die Kriterien, die aus Sicht des Generalobersten Stuppa für die Vergabe von Schweizer Truppenverbänden in französischen Diensten den Ausschlag gaben. Sie trägt zum Verständnis einer politischen Ökonomie bei, die in gewissen Orten und bei gewissen Familien in entscheidendem Masse vom Zufluss französischer Patronageressourcen (Kompanien, Offiziersstellen, Pensionen, Handelsprivilegien) abhängig war. Weiter soll die Studie auch die Rolle von Aussenseitern und der Zugewandten Orte innerhalb der eidgenössischen Machtelite untersuchen, derer sich die französische Politik und Diplomatie gezielt bediente, um die Interessen der Krone gegenüber den Machteliten der XIII Orte durchzusetzen. Dabei interessiert, wie aus dem Untertanen eines Zugewandten Ortes eine einflussreiche Kreatur des „Sonnenkönigs“ werden konnte, die unabhängig von innereidgenössischen politischen, ökonomischen oder konfessionellen Loyalitäten als französischer Agent wirken und die von Frankreich abhängigen Orte und Elitefamilien zur Kooperation zwingen konnte. Es soll untersucht werden, wie Stuppa sein Klientelnetz in der Eidgenossenschaft ausbildete, aus welchem Personenkreis sich dieses zusammensetzte und welcher Formen der Kommunikation er sich als An- bzw. Abwesender bediente, um an die relevanten Informationen zu gelangen. Zugleich erlaubt die Untersuchung der Rolle Stuppas als Klient des Königs Einblicke in die Tätigkeit eines eidgenössischen (Militär)Diplomaten am französischen Hof.