Projektinfo

Mopeds im Strassenverkehr 1962
Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Comet Photo AG (Zürich) / Com_L11-0036-0004 / CC BY-SA 4.0

Das Projekt "Mobilität im schweizerischen Bundesstaat", das sich in das übergeordnete Forschungsprogramm „Verkehrsgeschichte Schweiz“ eingliedert, stellt unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Rohr die Mobilität ins Zentrum. Dabei werden erstens aktuelle Ansätze der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung im Zeichen des „New Mobilities Paradigm“ konsequent in die historische Forschung eingebracht. Dies gilt insbesondere für den Ansatz der Mobilitätsbiografien und für die Thematik Mobilität und Ungleichheit. Zweitens wird im Rahmen des Projekts ein neues, auf diesen Ansätzen aufbauendes analytisches Instrumentarium zur historischen Raum- und Mobilitätsforschung formuliert. Drittens sollen durch die konsequente Anwendung historiografischer Methoden und einer Langzeitperspektive auch die sozialwissenschaftliche Empirie und die darauf abstellende interdisziplinäre Theoriebildung befruchtet werden. Von einer Historisierung des Mobilitätsbegriffs kann eine Erweiterung der bisherigen, vor allem von synchronen Perspektiven der Geografie und Soziologie geprägten Sichtweisen erwartet werden.

Im Sinne der oben formulierten Zielsetzungen und der räumlich/zeitlichen Eingrenzung fokussiert das Projekt auf fünf übergreifende Fragen:

  • Wie hat sich das Verständnis von Mobilität seit 1848 verändert und diskursiv verfestigt?
  • Wie hat sich das schweizerische Mobilitätssystem im Spannungsfeld von staatlicher Intervention und privater Initiative entwickelt?
  • Wie lässt sich die Mobilität der Menschen in der Schweiz in diesem Zeitraum beschreiben? In welchem Zusammenhang stehen Mobilitätsdiskurse und tatsächlich realisiertes Verkehrsverhalten?
  • Wie sieht die Bilanz der schweizerischen Entwicklung bezüglich der verschiedenen Dimensionen von Nachhaltigkeit aus?
  • Inwiefern lässt sich die Entwicklung in der Schweiz in den internationalen Kontext einordnen?

Die Breite der Fragestellungen bedingt ein entsprechend vielfältiges Quellenspektrum, welches von literarischen Quellen bis zu amtlichen Statistiken reicht. Es kommen sowohl diskursanalytische Verfahren und kulturgeschichtliche Ansätze als auch traditionelle Herangehensweisen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte zum Tragen.

Die Untersuchung soll am Beispiel des schweizerischen Bundesstaates seit 1848 erfolgen, welches sich aus mehreren Gründen anbietet: So deckt der Zeitraum seit 1848 sehr gut den fundamentalen Bedeutungswandel ab, den die Mobilität im Rahmen der Entfaltung modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften erfahren hat. Zudem gilt das Verkehrs- bzw. Mobilitätssystem der Schweiz aus einer Aussensicht als vergleichsweise erfolgreich und findet deshalb viel Beachtung. Und schliesslich deutet aus einer Innensicht viel darauf hin, dass der Verkehrspolitik eine wichtige Rolle bei der Verfestigung der bundesstaatlichen Strukturen zukam.

Im Zentrum des Forschungsprojekts stehen zwei Dissertationen. Die eine befasst sich mit der Mobilitätsgeschichte ab der Gründung des schweizerischen Bundesstaates 1848 bis etwa 1950 und wir von Benjamin Spielmann verfasst. Markus Sieber untersucht in seiner Dissertation, zeitlich etwas überlappend, die Periode von 1930 bis in die Gegenwart. Darüber hinaus ist begleitender, theoretisch fundierter und interdisziplinär angelegter Syntheseteil vorgesehen, auf welches sich Prof. Dr. Ueli Haefeli und Dr. Hans-Ueli Schiedt konzentrieren.