Wirtschaftswachstum, Wachstumskritik und (Post-)Wachstumsgesellschaft vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart


Der Ökonom Birger Priddat hat Wachstum kürzlich als «heaven on earth-Narrativ» und säkulares Erlösungsversprechen des Kapitalismus beschrieben. In den 1950er und 60er Jahren war der Wunsch nach «Wohlstand für alle» mit hohen (seither nicht mehr erreichten) Wachstumsraten und der Durchsetzung langlebiger Konsumgüter verbunden. Wachstum gilt bis heute als Allheilmittel für viele gesellschaftliche Herausforderungen; spätestens seit der Ölpreiskrise der 1970er Jahre sind aber auch die «Grenzen des Wachstums» verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Der mit dem Wachstum verbundene Ressourcenverschleiss und neue Konzepte, die mit den Begriffen «qualitatives», «nachhaltiges» oder «grünes Wachstum» umschrieben werden können, prägten die Debatte zunehmend. «Degrowth» und «Suffizienz» sind inzwischen zu neuen wachstumskritischen Schlagworten geworden. 50 Jahre nach der Publikation des «Club of Rome» von 1972 stellt sich die Frage nach den Grenzen des Wachstums eindringlicher als je zuvor. Mit Referierenden aus der Geschichtswissenschaft, der Ökonomie und Soziologie sowie dem Zentrum für nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern bietet diese interdisziplinäre Ringvorlesung einen breit angelegten Überblick über zentrale Fragen des Wirtschaftswachstums und der Wachstumskritik vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Die Ringvorlesung verfolgt zwei miteinander verbundene Ziele: Einerseits soll der Frage nachgegangen werden, weshalb weiteres Wachstum auch in reichen Ländern mit Massenkonsum-Gesellschaften (wie der Schweiz) für viele Menschen bis heute so wichtig ist. Andererseits sollen die Studierenden im Kontext der aktuellen Debatten über nachhaltige Entwicklung, die sich akzentuierende Klimakrise und «grünes Wachstum » mit der Komplexität der interdisziplinären Diskussion über (mehr oder weniger) Wachstum, der seit Jahrzehnten bestehenden Wachstumskritik sowie den Möglichkeiten und Grenzen einer (Post-)Wachstumsgesellschaft vertraut gemacht werden.


Datum Referierende Thema
28.2. Prof. Dr. Thomas Hammer,
Prof. Dr. Christian Rohr,
Dr. Roman Rossfeld,
Universität Bern

Einführung Christian Rohr
Einführung Thomas Hammer
Einführung Roman Rossfeld

7.3. Prof. Dr. Aymo Brunetti,
Universität Bern
Weshalb Wirtschaftswachstum (weiterhin) vorteilhaft ist: Zu einer Kritik der Wachstumskritik
14.3. Prof. Dr. Tobias Werron,
Universität Bielefeld
Produktivität durch Konkurrenz? Soziologische Überlegungen zum Verhältnis von Wachstum und Wettbewerb
21.3. Dr. Michaela Christ,
Europa-Universität Flensburg
Mehr Licht: Zum Verhältnis von Wachstum und künstlicher Beleuchtung
28.3. Prof. Dr. Daniel Speich,
Universität Luzern
Die Erfindung des Bruttosozialprodukts: Wissen über Wirtschaftswachstum in der Globalgeschichte des 20. Jahrhunderts
4.4. Prof. Dr. Mathias Binswanger, FHNW Olten Der Wachstumszwang – Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben
11.4. Prof. Dr. Elke Seefried,
RWTH Aachen
Die Studie «Grenzen des Wachstums» und ihre Rezeption in Europa: eine Bilanz nach 50 Jahren
25.4. Prof. em. Dr. Reinhold Reith,
Universität Salzburg
Vom Umgang mit Rohstoffen in der Geschichte: Strategien der Ressourcennutzung
2.5. Prof. Dr. Ulrich Brand,
Universität Wien
«Imperiale Lebensweise» als Wachstumstreiber in Nord und Süd: notwendige Alternativen
9.5. Dr. Sabin Bieri, CDE,
Universität Bern
Von Lückenbüsserinnen und Versorgungslücken: Perspektiven der feministischen Ökonomie auf den Wachstumsdiskurs
16.5. Dr. Christoph Bader,
CDE, Universität Bern
Nachhaltige Gesellschaft – Das Prinzip der Suffizienz und Zeit als neuer Wohlstand
23.5. Dr. Matthias Schmelzer,
Friedrich-Schiller-Universität
Jena
Vom Luddismus zu den «limits to growth»: Zu einer Geschichte der Wachstumskritik
30.5. Prof. Dr. Irmi Seidl, WSL
Birmensdorf
Wege in eine Postwachstumsgesellschaft: Konzepte für die Zukunft
  Prof. Dr. Thomas Hammer,
Prof. Dr. Christian Rohr,
Dr. Roman Rossfeld,
Universität Bern
Summary – Diskussion