Außenbeziehungen in Netzwerken. Außenpolitik und Verflechtung zwischen Spanien und dem Kirchenstaat, 1605-1621
Habilitationsschrift
Die überragende Bedeutung von informellen Netzwerken für die politische Kultur der Vormoderne gilt heute als gesicherte Erkenntnis. Kategorien wie Verwandtschaft, Landsmannschaft, Freundschaft und Patronage-Klientel-Verhältnisse schufen oder verstärkten Bindungen. Das gilt auch für grenzüberschreitende Beziehungen. Bislang dominieren aber in der Forschung Ansätze, die Internationale Beziehungen als reine Staatenbeziehungen betrachten, in denen Regierungseliten – und nur diese – als Staatsdiener interagieren.
In der Habilitationsschrift wird diese Sichtweise durch einen der politischen Kultur der Vormoderne besser entsprechenden Ansatz ergänzt, welcher der bislang fast nur auf die Neueste Geschichte angewendeten transnationalen Geschichte zuzuordnen ist und akteurszentriert arbeitet. Zwar können Außenbeziehungen im 17. Jahrhundert nicht mit der Interaktionsdichte und der Vielfalt von Akteuren aufwarten, welche für die globalisierte Gegenwart typisch sind und die sich vor dem Hintergrund der sich tendenziell abschwächenden Staatsgewalt entfalten. Dennoch stellt gerade die relative Schwäche der Staatsgewalt in der Frühmoderne ein interessantes Spiegelbild zur Gegenwart dar. Noch im 17. Jahrhundert waren Loyalitätsbindungen an abstrakte Gemeinwesen schwach, suchen wir einen Staatsdienstethos selbst auf der Ebene der Diplomaten, Staatsräte und Minister vergeblich. Hingegen überwogen personale Bindungen, die sich vielfach als Patronage-Klientel-Verhältnisse beschreiben lassen.
Als Beispielsfall werden die spanisch-römischen Beziehungen im frühen 17. Jahrhundert untersucht. Sie bieten einerseits aufgrund der hervorragenden Quellenlage, andererseits aufgrund der für beide Staatswesen intensiv untersuchten Binnenverflechtung ideale Voraussetzungen.
Es werden die Beziehungskanäle und Netzwerke, offizielle wie informelle, zwischen den beiden Gemeinwesen ermittelt. Folgende Leitfragen werden verfolgt:
- Wie gelang es den Akteuren, Vertrauen über Entfernung und Grenzen aufzubauen in einer Gesellschaft, deren Sozialbeziehungen überwiegend auf face-to-face-Kontakten beruhten?
- Wie stabil und belastbar waren die Bindungen? Inwieweit beeinträchtigte der Charakter des Papsttums als Wahlmonarchie mit häufigem Austausch des politischen Führungspersonals die kuriale Außenpolitik und ihre Netzwerke? Und inwieweit wurden die personalen Außenkontakte durch den Sturz von Ministern beeinträchtigt?
- Herrschten stabile, mitunter generationenübergreifende Bindungen vor – etwa zwischen der spanischen Krone und Adelsfamilien des Kirchenstaats? Oder war Rom eher ein Patronagemarkt, in dem diejenige Krone, welche die attraktivsten Patronage-Angebote zu machen in der Lage war, die meisten Klienten an sich auf Zeit zu binden vermochte?
- Überlagerten konkurrierende Bindungen des diplomatischen Personals, das eben nicht nur an den Dienstherrn, sondern auch an den eigenen Familienverband, an Freunde, Klienten und Landsleute gebunden war, die Loyalität gegenüber dem Dienstherrn?
- Inwieweit bestand eine Interdependenz zwischen den „mikropolitischen“ Beziehungen und Bindungen und der „großen“ Politik, also Fragen von Krieg und Frieden, bilateralen Abkommen etc.?
Ziel der Habilitationsschrift ist, über die Analyse von Außenpolitik als der Gesamtheit von personalen Netzwerken und Loyalitätssträngen zwischen zwei Gemeinwesen zu einer Neubewertung der kulturellen Grundlagen und Handlungsmöglichkeiten von Außenpolitik im Europa des 17. Jahrhunderts gelangen.